Architektur vermitteln? Im Gespräch mit Riklef Rambow

Gebäude umgeben uns tagein, tagaus. Nicht nur Häuser, auch Straßen und Brücken, ja sogar Verkehrsinseln sind ganz alltägliches „Gebautes“ in unserer Umwelt. Trotzdem wird das Thema des gestalteten Lebensraums über Fachkreise hinaus selten bewusst thematisiert. Keine Frage, Baukultur muss vermittelt werden. Aber wie? 

An der Architekturfakultät des KIT gibt es den bislang einzigen Lehrstuhl für Architekturkommunikation – a*komm – an einer deutschen Universität. Der Lehrstuhlinhaber, Riklef Rambow, gibt im Gespräch mit Simone Kraft Einblick in die Bedeutung der Architekturvermittlung, ihre Möglichkeiten, aber auch Grenzen – und warum es wichtig ist, über Baukultur zu sprechen.

(Auszüge dieses Interviews waren im ARTMAPP Special Karlsruhe (Frühjahr 2015) im Rahmen eines Doppelgesprächs zu lesen.)

INTERVIEW

Exkursion (c)a*komm/KIT

Exkursion (c) a*komm/KIT

Architektur umgibt uns ständig und wird doch nur selten thematisiert. Warum ist es wichtig, über das Bauen, über Baukultur zu sprechen?

Riklef Rambow Architektur vermittelt sich nicht von selbst. Natürlich sind wir physisch ständig von Gebäuden umgeben, aber das bedeutet noch nicht, dass wir diese gebaute Umwelt auch wahrnehmen und über sie nachdenken. Jedes Gebäude kann unter verschiedenen Gesichtspunkten „gelesen“ werden, was teilweise ein hohes Ausmaß an Vorwissen erfordert.

Die materielle Erscheinungsweise eines jeden Gebäudes ist das Resultat von komplexen Entscheidungen einzelner Personen und von sozialen Prozessen. Je mehr ich über diese Einflüsse weiß, umso spannender und interessanter wird auch die Auseinandersetzung mit dem fertigen Resultat. Die Art und Weise, wie ein Gebäude auf den vorhandenen städtebaulichen Kontext reagiert, wie es das geforderte Raumprogramm umsetzt, wie es konstruiert ist, aber natürlich auch, auf welche ästhetischen Traditionen es sich bezieht oder welcher Raumkonzeption es folgt – alle diese Aspekte werden unterschiedlich wahrgenommen und eingeschätzt, je nachdem, welche Vorkenntnisse ich mitbringe. Das wenigste davon ist dem Gebäude unmittelbar abzulesen.

Hier kommt die Architekturvermittlung ins Spiel …

RR Bei der Architekturvermittlung geht es natürlich nicht darum, jeden Stadtbewohner zum Architekten zu machen. Wichtig ist, überhaupt ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass Architektur mehr ist als bloßes Bauen und dass es sich lohnt, sich damit auseinanderzusetzen. Der Begriff Baukultur soll ja ausdrücken, dass das Bauen ein wichtiger Teil menschlicher Kultur ist, also nicht ausschließlich Ausdruck wirtschaftlicher Notwendigkeiten oder funktionaler Erfordernisse ist. Viele Menschen haben große Schwierigkeiten, diesen Anspruch auch auf das zeitgenössische Bauen zu übertragen; sie haben einen sehr engen Begriff von Architektur, der sich vorwiegend auf historische Bauten und wenige Meisterwerke bezieht. Der Brückenschlag zur alltäglichen Lebenswelt fällt da sehr schwer.

Wo setzt hier die „Architekturkommunikation“ als Disziplin an?

RR Ganz einfach: Wenn Architektur sich nicht von allein vermittelt, muss es jemand anderes machen. Man muss Anlässe schaffen, dass sich möglichst viele Menschen mit Architektur beschäftigen wollen und können. Warum? Einerseits, weil es ein spannendes Thema ist, das viel Spaß machen und das Leben bereichern kann. Andererseits aber auch, weil Architektur als Teil unserer aller Kultur sich nur dann auf hohem Niveau fortentwickeln kann, wenn möglichst viele Menschen aktiv daran teilhaben.

Wenn Baukultur eine Expertenkultur ist, dann kann sie nicht überleben, weil viele der Entscheidungen über Architektur nicht von Experten getroffen werden. Oder anders gesagt: Qualitätvolle Architektur ist eine sehr teure Angelegenheit, und wenn es keine Nachfrage nach ihr gibt, dann wird sie verschwinden. Und Nachfrage gibt es nur, wenn Qualität erkannt und wertgeschätzt wird.

Dafür braucht es eine kontinuierliche öffentliche Auseinandersetzung über Qualität in der Architektur und die Architekten müssen bereit sein, ihre Kriterien für Qualität offenzulegen und zu begründen. Das Ziel der Architekturvermittlung ist, diesen Dialog zu initiieren und zu moderieren. Wir wollen Interesse und idealerweise auch Begeisterung erwecken, Aufmerksamkeit erzeugen, Meinungen bilden, auch Informationen und Wissen vermitteln. Architekturvermittlung funktioniert umso besser, umso mehr sie aktuelle Entwicklungen aufgreift, vielfältige Medien und Formate möglichst variantenreich einsetzt und sowohl visuell als auch verbal eine Sprache findet, die auf die Vorkenntnisse des angezielten Publikums abgestimmt ist.

Welche Schwierigkeiten eröffnen sich bei der Vermittlung von Baukultur?

RR Die Reichhaltigkeit der möglichen Betrachtungsebenen ist einerseits die Stärke der Architekturvermittlung, andererseits auch ihre größte Herausforderung. Man kann sich dem Thema z.B. in eher technischer Weise nähern, durch Baustelleninszenierungen etwa, aber auch Fernsehbeiträge, die auf ingenieurwissenschaftliche Spitzenleistungen abstellen: Wie kommt der ganze Beton in den 53. Stock des Superwolkenkratzers? So wird allerdings eine einseitige Vorstellung von Architektur gestärkt, die die Distanz zur alltäglichen Lebenswelt eher noch erhöht.

Aber auch eine kunstwissenschaftliche Betrachtung, wie sie oft in Museen oder Ausstellungen vorkommt – der Architekt als Künstler, das Gebäude als Kunstobjekt – ist schwierig: Der Architekt als Künstler, das Gebäude als Kunstobjekt, diese Sichtweise kann durchaus faszinieren, sie nährt jedoch auch die Illusion, pragmatische Erfordernisse seien in der Architektur eher ein notwendiges Übel.

Ich halte es für wichtig, bei allen Vermittlungsbemühungen eine „ganzheitliche“ und realistische Sichtweise auf Architektur anzustreben, bin mir aber der Tatsache bewusst, dass das auch leicht zu einer Überforderung des Publikums führen kann. Komplexitätsreduktion ohne Simplifizierung, das ist die Gratwanderung der Architekturvermittlung, die jeweils im konkreten Fall neu ausbalanciert werden muss.

Karlsruhe feiert 2015 300-jähriges Jubiläum und hat auch der Baukultur in diesem Jahr Aufmerksamkeit gewidmet. Was lässt sich darauf für die Zukunft der Baukultur in der Stadt gewinnen?

RR Das Ziel von Architekturvermittlung ist ein lebhafter und grundsätzlich konstruktiver Diskurs der Stadtgesellschaft über Architektur und Bauen, der auf den verschiedensten Ebenen stattfinden kann, von Schulklassen bis hin zu wissenschaftlichen Fachveranstaltungen oder Gestaltungsbeiräten. Hierzu ist eine Zusammenarbeit verschiedener Akteure erforderlich, Kammern, Berufsverbände, Stadtplanungsamt, Hochschulen, … In Karlsruhe gibt es durchaus ein Bewusstsein dafür, dass Architektur und Planung Öffentlichkeit brauchen, und mit dem Architekturschaufenster gibt es einen zentralen Ort für den Diskurs.

Die Planstadt mit dem Fächergrundriss ist eine hervorragende Grundlage für Baukulturvermittlung: Das identitätsstiftende Alleinstellungsmerkmal ist eine bauliche Struktur! Die Bedeutung von Planung ist also unmittelbar sichtbar und muss nicht lange erklärt werden. Zugleich ist die Frage, wie man eine solche Planstadt „weiterbaut“ und welche Bedeutung die historische Planung heute noch hat, überhaupt nicht trivial. Sie wird derzeit im Zusammenhang mit dem sogenannten „Räumlichen Leitbild“ breit diskutiert. Dieser Diskussionsprozess war von Anfang an sehr öffentlich angelegt mit Workshops, Vortragsveranstaltungen, Ausstellungen … In Teilen ist dies ein positives Beispiel für Baukulturvermittlung, aber man stößt auch immer wieder an Grenzen, denn die Inhalte sind sehr komplex und abstrakt. Es kommt daher darauf an, das Thema herunterzubrechen. Hier wird es nach den Aktionen zum 300. Stadtgeburtstag hoffentlich weitere nachhaltige Impulse für die Zukunft geben.

Riklef Rambow, herzlichen Dank für das Interview!

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